Einführung

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Durch Erzählung und Wiederholung kann eine Idee eine Aura essentieller Wahrhaftigkeit um sich herum schaffen und behaupten. Im Verlauf dieses Prozesses wird eine liebge- wonnene Vorstellung mit mehr Wahrheit ausgestattet als eine Bibliothek voller Fakte…
Der dokumentarische Nachweis spielt nur eine untergeodnete Rolle im Vergleich zum Vollzug der wiederholten Bestätigung durch jede Gelehrtengeneration.
Überdies nimmt die Kraft der Überzeugung zu, je weiter die fragliche Zeit in der Vergangenheit entschwindet. Anfängliche Zweifel wandeln sich bald zum Glauben an eine Möglichkeit und schließlich zur selbstgefälligen Gewißheit.

»Das geheime Wissen der Frauen« ein Lexikon
von Barbara G. Walker, Deutscher Taschenbuch Verlag

Kornkreise – ein modernes Phänomen?

von Florian Brunner und Harald Hoos

Begonnen hat es 1978. Der Bauer Ian Stevens traute seinen Augen nicht, als er seine Ernte mit dem Mähdrescher einholen wollte: ein exakt in das Kornfeld gedrückter Kreis. So etwas hatte er noch nie gesehen. Noch im selben Jahr wussten weitere Personen von plattgedrücktem Korn zu berichten. Man begann über die Ursachen zu rätseln.

Mit einem Zeitungsartikel in der Wiltshire Times 1980 rückten dann die Kornkreise ins Licht der Öffentlichkeit. Der Zeitungsartikel rief auch UFO-Forschungsgruppen auf den Plan.

Nachdem durch die UFO-Szene und durch die Öffentlichkeit die Verbindung zwischen Kornkreisen und Außerirdischem hergestellt wurde – die Ufologen interpretierten die Spuren im Korn z. B. als UFO-Landespuren – nahm eine bis heute andauernde Entwicklung ihren Lauf. Kornkreise und UFOs gehören nach Sicht vieler Spezialisten zusammen, sei es als Landespuren oder als Botschaften Außerirdischer an die Menschheit.
Die Kornkreise zogen auch nach und nach die Aufmerksamkeit von anderen europäischen Ländern, den USA und auch Japan auf sich.

Die Kreise haben sich gewandelt. Aus den einfachen Kreisen, Kreisen mit Ringen, Kreisformationen, wurden zum Beginn der 90er Jahre hin Piktogramme, die wieder viel Raum für Interpretationen gaben. Piktogramme, die durch Lage und Ausrichtung in der mystischen Landschaft Südenglands nicht nur den Esoteriker faszinieren, sondern jeden Betrachter in ihren Bann ziehen. Majestätisch wirkende Gebilde, von künstlerischer Perfektion, geprägt in einer Landschaft, die tief im Inneren jedes Betrachters rührt. Hatten wir nicht alle heimlich darauf gewartet?

Mehr und mehr etablierte sich die Kornkreisforschung. Sogar den einen oder anderen nüchternen Naturwissenschaftler bewegte sie zu Deutungen. Indizien zur Unterscheidung mutmaßlich vom Menschen gemachter Kornkreise von solchen scheinbar unerklärbarer Herkunft mussten gefunden und formuliert werden.

Am 9. September 1991 kam es zur „Katastrophe“: Das britische Boulevardblatt Today veröffentlichte das Interview mit zwei Rentnern aus Southhampton, Doug Bower und Dave Corley, die behaupteten, sie seien verantwortlich für einen Großteil der Kornkreise. Während für die breite Öffentlichkeit nun das feststand, was man eigentlich schon lange vermutete, dass die Kornkreise durch Menschenhand bzw. -fuß entstehen, war der Schock für die Cereologen – wie sich die Kornkreisforscher inzwischen nannten -groß.

Von diesem Zeitpunkt an ist dem Phänomen viel an Faszination verloren gegangen. Auch das öffentliche Interesse ebbte ab. Die Frage „echt“ oder „falsch“ stand im Mittelpunkt. Über dieser Frage zerstritten sich viele Forscher. Die Diskussion hält bis heute an.

Wir wissen heute, dass in den Sommernächten verschiedene anonyme und auch bekennende Gruppen in den Feldern Wiltshires und anderswo unterwegs sind und perfekt geplante Geometrien ins Korn drücken. Unbenommen von dieser Tatsache faszinieren die Kornkreise die Betrachter jährlich aufs Neue.

Dennoch bleiben weiterhin viele Fragen ungeklärt: Hatten die ersten Kornkreismacher nicht doch ein Vorbild in der Natur? Gab es – oder gibt es Kornkreisformationen, die aus einem tatsächlich ungeklärten Phänomen rekrutieren?

Sind einige der heute alljährlich erscheinenden Formationen Teil eines ursprünglichen Phänomens, das vielleicht in einem einfachen Kreis liegt? Fragen, deren Klärung heute fast unmöglich erscheint, ist die Machart doch so perfekt und offenbar nicht für Menschen machbar.

Das Phänomen existiert nun seit mehr als zwei Jahrzehnten. Hierbei hat sich im Laufe der Jahre eine feste internationale Interessentengemeinde zusammengefunden, in der in meist friedlicher Koexistenz verschiedene Entstehungstheorien vertreten werden. Grob lassen sich Kornkreisenthusiasten in zwei Gruppen unterteilen: Die Personen, die an einem übernatürlichen Entstehungsprozeß festhalten, also an „echte“ Kornkreise glauben, und die Personen, die hinter den Kornkreisen menschliches Hand- oder Fußwerk sehen – und von den „falschen“ Kornkreisen fasziniert sind.
Bei den Theoretikern, die die Ursache der Kornkreise im Übernatürlichen sehen, überwiegt die Annahme, außerirdische Intelligenzen hätten die Finger im Spiel. Andere sehen Manifestationen des kollektiven Bewusstseins oder einen Hilfeschrei unserer geplagten ,Mutter Erde‘ im Feld.

Unbenommen von der Tatsache ob „echter“ oder „falscher“ Kreis, geht von den Spuren im Korn eine magische Anziehungskraft aus. Das Zusammenspiel zwischen Landschaft und Kunst im Korn übt auf den Betrachter eine bewusstseinsverändernde Faszination aus, die Seinesgleichen sucht. Viele Betrachter berichten, dass sie durch die Kornkreise zu ihrer Umwelt eine neue Beziehung entwickelt haben, Natur neu erfahren. Einige wenige berichten sogar von physischen Beeinflussungen bei Besuchen von Kornkreisen, sowohl im positiven Sinne in Form von Heilung und Wohlbefinden, als auch im negativen Sinn in Form von Zuständen des Unwohlseins.

Den Kornkreisen ist es gelungen, Menschen unterschiedlicher Herkunft, Weltanschauungen und sozialer Schichten zusammenzuführen. Allen gemeinsam ist die Sehnsucht nach Spiritualität in unserer entmystifizierten, hochwissenschaftlichen und hochtechnifizierten Welt. Die Entmystifizierung machte auch vor den bedeutenden Weltreligionen nicht halt, was heute zur Entstehung immer neuer Ersatzreligionen führt. Wer die Geschichte der Kornkreise von ihrem Anbeginn an mit wachen Augen beobachtet und analysiert hat, dem wird wohl kaum entgangen sein, dass bei diesem, wie auch bei anderen Phänomenen aus dem grenzwissenschaftlichen Bereich dem natürlichem Bedürfnis nach Spiritualität fester Boden geboten wird, auf den viele Gläubige ihre Sehnsüchte und tiefsten Wünsche projezieren.

Copyright Brunner/Hoos 2001

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